BILDUNG SCHWEIZ: Weihnachtszeit ist auch an Schulen etwas Besonderes. Wie war das, als Sie selber Schülerin waren?
YVONNE VOGEL: Ich habe sie als eine sehr schöne Zeit in Erinnerung. Weil wir eine sehr einheitliche Klasse hatten, was soziokulturelle Hintergründe und Religion betrifft, waren die Anlässe auch religiös gefärbt. Wir sangen Weihnachtslieder und einmal stand sogar ein kleiner Weihnachtsbaum im Klassenzimmer. Und eine Lehrerin feierte mit uns einmal Weihnachten im Wald. Wir konnten zudem freiwillig die Roratemesse besuchen. In der Kirche war alles finster und nur ein paar Kerzen brannten, als wir Lieder sangen.
Könnte man das heute noch so machen?
Ich denke, so wäre das heute nicht mehr möglich. Gemäss Volksschulgesetz muss der Unterricht politisch und religiös neutral sein. Zudem sind die Klassen heute heterogener. Solche Traditionen würden allenfalls nicht verstanden werden. Sie wären zu religiös gefärbt.
Sollten so alte Traditionen an Schulen überhaupt noch gepflegt werden?
Sie können durchaus noch gepflegt werden. Aber man sollte sie aufgrund der heutigen Vorgaben und der multikulturellen Zusammensetzung der Klassen kritisch hinterfragen. Zudem hat sich die Sicht auf gewisse Traditionen verändert, gerade auf religiöse. Heute können Lehrpersonen das Kennenlernen von Traditionen am besten in das Fach Religionen, Kulturen, Ethik einbetten. Aber das kann sich von Fall zu Fall auch unterscheiden.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich habe während sieben Jahren in einer sehr ländlichen Gemeinde unterrichtet. In dieser Schule wurde in der Weihnachtszeit traditionell ein Krippenspiel aufgeführt. Das war dort problemlos möglich. Später unterrichtete ich in der Kleinstadt Sursee im Kanton Luzern, wo in der Schule sehr viele unterschiedliche Nationalitäten und Religionen zusammenkamen. Dort habe ich die Rituale rund um die Advents- und Weihnachtszeit anders gestaltet.
Was haben Sie anders gemacht?
Ich habe ein Buch mit 24 Geschichten gefunden, welche für jeden Tag der Adventszeit je eine Weihnachtstradition eines anderen Landes vorstellten. Ich kann mich zum Beispiel noch an Schweden erinnern, wo der Julbock, auf Deutsch Weihnachtsbock, ein beliebtes Weihnachtssymbol ist. Mit den Geschichten konnten wir die Weihnachtszeit neutral und trotzdem spannend gestalten. Auch Wichteln, bei dem man sich gegenseitig kleine Geschenke macht, wurde von den Kindern oft gewünscht.
Die Kinder Ihrer Klasse konnten mitreden?
Ich habe sie mitbestimmen lassen, welche Aktivitäten wir machen. Es ist wichtig, dass die Kinder ein Mitspracherecht haben. Das erhöht die Akzeptanz von Ideen und die Motivation, mitzumachen. Ich möchte den Kindern keine Ideen aufzwängen, die nicht zu ihnen passen.