DIGITALE BILDUNG

Nächster Stopp: Roboter-Olympiade

Schweizer Kinder reisen diesen November nach Singapur, um am Weltfinale der Roboter-Olympiade anzutreten. Ihre Primarschullehrerin hat ihnen das Rüstzeug dazu vermittelt.

Sechs Schüler zeigen ihren Roboter.
Die Knaben des Robotikkurses präsentieren ihr jüngstes Robotermodell. Fotos: Roger Wehrli

Wer beim Anblick eines Roboters ein gewisses Unwohlsein verspürt, nimmt sich am besten die Kinder der Primarschule Aeugst am Albis (ZH) zum Vorbild. Für die Schülerinnen und Schüler, die sich einmal wöchentlich zum gemeinsamen Robotikkurs treffen, ist die technologisierte Welt eine Selbstverständlichkeit.

Die intensive Auseinandersetzung mit technischen und digitalen Herausforderungen lässt alles weniger bedrohlich erscheinen. Eine Epoche vor Apps mit künstlicher Intelligenz und autonomen Robotern ist diesen Kindern ganz und gar unbekannt. Ihr Umgang mit den neuen Werkzeugen ist dementsprechend unbekümmert.

Wachsendes Interesse an Robotik

In Aeugst üben nun ein paar clevere Jungs für einen besonderen Anlass: das Finale der World Robot Olympiad (WRO), die im November in Singapur stattfindet. Die Schüler haben schon einen beachtlichen Weg zurückgelegt: Zuerst mussten die in Zweier – und Dreiergruppen antretenden Kinder einen schulinternen Wettkampf gewinnen. Es folgte die Regionalmeisterschaft Säuliamt, die in Aeugst am Albis stattfand. Als auch diese Hürde genommen war, wartete als vorläufiger Höhepunkt die Schweizer Meisterschaft auf sie.

Jedes Team wird von einer Begleitperson umsorgt. Unterrichtet jedoch werden die Kinder von Stephanie Betschart. Die innovative Lehrerin hat die Robotikkurse vor sechs Jahren eingeführt und damit zunehmend das Interesse der Schülerinnen und Schüler geweckt. «Anfangs haben sich viel weniger Kinder für die Kurse interessiert», sagt Betschart. «Mittlerweile ist der Andrang so gross, dass wir intern aussieben müssen.»

Lego, aber kein Kinderspiel

Auch das Alter der Teilnehmenden hat sich verändert. Zu Beginn meldeten sich Fünft- und Sechstklässler an, mittlerweile sind schon Kinder der Unterstufe mit dabei. Dafür musste Stephanie Betschart die Kursinhalte anpassen. «Man sollte die Kleinen nicht überfordern, denn in diesen Kursen geht es um mehr, als nur Legos zusammenzubauen», betont sie. Es werde zwar mit Legos gearbeitet, aber dabei werde auch programmiert.

In der Schweiz bietet der Verein WRO Schweiz darum für interessierte Lehrpersonen und Coaches entsprechende Kurse zu Robotik an. Diese sollen Berührungsängste mit dem Thema abbauen und Grundlagen mit einem Set für Lego-Robotik vermitteln. Aber was hat Lego mit Robotern zu tun, und seit wann ist Roboterbauen eine olympische Disziplin?

Knobeln mit Robotern

Der Robotikwettbewerb ist international etabliert. Das zeigen die Anmeldungen: 365 Teams aus 73 Ländern nehmen am Weltfinale teil. Die Gruppen treten in verschiedenen Alters- und Schwierigkeitsstufen gegeneinander an. Jüngere Schülerinnen und Schüler messen sich in den Kategorien Elementary oder Junior. Ziel aller Kategorien ist es, mit Lego-Robotern verschiedene Aufgaben zu lösen. Diese erfordern technisches Geschick genauso wie Teamarbeit und kreative Problemlösung.

Auf der Stufe Elementary sieht das wie folgt aus: Die Gruppen erhalten eine Spielfeldmatte und bauen mit den beiliegenden Legos die Spielfiguren, die je nach Aufgabenstellung alljährlich wechseln. Auf dem Spielfeld sind verschiedene Missionen markiert. Zum Beispiel müssen Figuren bewegt, Bausteine sortiert oder Objekte an einen bestimmten Ort transportiert werden. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen die Kinder den passenden Roboter entwerfen. Sämtliche Einzelteile für die Aufgaben sind in einer beiliegenden Kiste enthalten.

Der Roboter sollte nach seiner Fertigstellung in der Lage sein, selbstständig zu fahren, Linien zu erkennen, Objekte zu greifen und diese zu verschieben. Das bedingt, dass die Gruppen ihren Roboter so programmieren, dass er die Aufgaben möglichst zuverlässig löst.

Ohne Fleiss geht in der Robotik nichts.

Unter Wettkampfbedingungen haben die Teams mehrere Versuche. Die Betreuungspersonen dürfen nicht eingreifen. Für sie gilt es, die Nerven zu behalten, auch wenn nicht alles auf Anhieb klappt.

Eltern und Geschwister helfen

Um unter Wettbewerbsbedingungen bestehen zu können, reicht ein schlauer Kopf allein nicht aus. Ohne Fleiss geht in der Robotik nichts. Die Kinder der beiden Gruppen, die sich für die Olympiade qualifizierten, trainieren jede Woche zwischen vier und zehn Stunden. Aus Zeitgründen tun sie das auch zu Hause. Manche bekommen dort Unterstützung von Eltern, die in wesensverwandten Berufen tätig sind. Oder sie haben ältere Geschwister, die ihnen helfen können.

Kräftige Unterstützung hat auch der zehnjährige Akos. «Ich trainiere viel zu Hause», erzählt er. Seine ältere Schwester hat vor einem Jahr am Wettbewerb teilgenommen und kann ihm Tipps geben. Die Mutter zweier Schüler arbeitet bei Meta, dem Technologiekonzern hinter Facebook. Das hilft den beiden Jungs, wenn sie daheim trainieren.

Stellenwert der Robotik

Mindestens so wichtig wie die fachliche Unterstützung ist die finanzielle. Eine neun Tage dauernde Reise nach Singapur ist nicht billig. Erst recht nicht, wenn die Kinder von einer oder mehreren erwachsenen Personen begleitet werden müssen. In Asien sei es darum üblich, dass Sponsoren die Teams unterstützen. Das sagt auch etwas über den gesellschaftlichen Stellenwert der Robotik aus. «Eine Teilnahme dort ist schon fast matchentscheidend für das spätere Berufsleben», sagt Betschart.

In Europa habe die WRO nicht die gleiche Bedeutung. Die Familien kommen laut Betschart selbst für die Reisekosten auf. Die Buben der zwei für die Olympiade qualifizierten Gruppen gehören zu den Glücklichen, die ihre Reise im November antreten dürfen. Diese Tatsache, und die damit verbundenen Erwartungen, scheint sie jedoch nicht aus dem Konzept zu bringen. Nur Akos meint auf die Frage, wie es sich anfühlt, wenn er an das Kommende denkt: «Der Gedanke, dass man unter den Top 300 der Welt ist, macht mich schon ein wenig stolz.»

«Heute wird von den Kindern selbstständiges Denken verlangt.»

An die Roboter-Olympiade reisen nur wenige Teams. Die Teilnahme am Vorbereitungskurs an den hiesigen Wettbewerben lohnt sich dennoch. Die Kurse, die Betschart an ihrer Schule anbietet, ermöglichen einen Einblick in die Robotik, der den Schülerinnen und Schülern sonst verborgen bleibt.

Für Betschart ist es eine Notwendigkeit, die Kinder auf die Welt von morgen vorzubereiten. «Früher galt es in der Schule, viel mehr auswendig zu lernen», sagt die Lehrerin. «Heute wird von den Kindern selbstständiges Denken verlangt.» Besonders in Zeiten, die zunehmend von KI-Technologien geprägt sind, seien Kompetenzen wie kreatives und logisches Denken, Teamfähigkeit und Ausdauer wichtig, betont sie.

Autor
Roger Wehrli

Datum

27.11.2025

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