Jugendliche als Vorbild

«Mein Ziel war es, sein Selbstvertrauen zu stärken»

Die Gymnasiastin Anisha Jhalani hat ein Jahr lang ein Kind begleitet, das Schwierigkeiten hat. Sie sagt, davon habe auch sie profitiert.

Anisha Jhalani besucht die Kantonsschule Baden. Foto: ZVG

BILDUNG SCHWEIZ: Sie haben als Gymnasiastin ein Primarschulkind aus einem herausfordernden Umfeld begleitet. Wie kam es dazu?

Anisha Jhalani: Über ein Freifach an der Schule habe ich vom Projekt Dream Team erfahren. Ein solches Angebot hatte ich vorher noch nie gesehen, und genau das hat mich fasziniert. Es ist etwas sehr Persönliches, bei dem man Verantwortung übernimmt und aktiv etwas bewirken kann. Für mich war es auch eine schöne Abwechslung zum schulischen Alltag. Man lernt dabei Dinge, die man im normalen Unterricht nicht mitbekommt, gerade im Umgang mit Kindern.

Wie muss man sich ein solches Mentoring vorstellen?

Man verbringt regelmässig Zeit mit einem Primarschulkind, das einem von «Dream Team» vermittelt wurde. Gemeinsam unternimmt man etwas, wovon es profitiert. Dies kann sehr unterschiedlich aussehen. Weil mein Team-Kind gerne aktiv ist, unternahmen wir meist etwas Sportliches. Wir waren oft draussen unterwegs, sind Velo gefahren oder haben mit anderen Kindern gespielt. Am Ende des Schuljahres haben wir mit allen aus dem Freifach einen gemeinsamen Ausflug organisiert. Wichtig war für mich immer, dass das Kind die Zeit wirklich geniesst und dass es gleichzeitig etwas daraus mitnimmt. Besonders wertvoll waren für mich unsere Gespräche. Ich habe gemerkt, wie sich das Kind immer mehr geöffnet hat und wie sich unsere Beziehung Schritt für Schritt vertiefte. Die Aktivitäten waren also für mich vor allem ein Rahmen für diesen Austausch.

«Mit Geduld, Aufmerksamkeit und Präsenz kann man sehr viel bewirken.»

Zur Person

Anisha Jhalani ist 18-jährig und besucht die Kantonsschule Baden. Sie hat während eines Jahres das Freifach «Dream Team» besucht. Die von der Stiftung Educa Swiss ins Leben gerufene Initiative vermittelt Kinder aus sozial herausforderndem Umfeld an Mittelschulen.

Was war Ihnen wichtig bei der Begleitung?

Mir war wichtig, dass das Kind ernst genommen wird und spürt, dass es meine volle Aufmerksamkeit hat. Während der Treffen habe ich versucht, komplett präsent zu sein, nicht nur im Gespräch, sondern auch durch meine Körpersprache. Zudem habe ich ihm bewusst Verantwortung übergeben, zum Beispiel beim Ticketlösen oder beim Einkaufen. Ich wollte ihm ein Gefühl der Selbstständigkeit vermitteln. Mein Ziel war es, das Selbstvertrauen zu stärken und kleine Erfolgserlebnisse zu schaffen. Gleichzeitig wollte ich zeigen, dass es Freude machen kann, Neues zu lernen und zu erleben.

Gab es auch Momente, in denen Sie überfordert waren?

Überfordert nicht direkt, aber manchmal war es herausfordernd, immer wieder neue Ideen zu finden. Der Austausch mit meinen Mitschülerinnen und Mitschülern aus dem Freifach half dabei sehr. Wir konnten uns gegenseitig Tipps geben. Eine weitere Herausforderung: Manchmal war es nicht einfach, abzuschätzen, wie weit man sich ins Leben des Kindes einmischen soll. Ich versuchte, neutral zu bleiben, wenn es etwas erzählt hat. Ich stimmte nicht einfach allem zu, sondern stellte Fragen, um das Kind zum Nachdenken anzuregen. So konnte es lernen, Situationen selbst zu reflektieren.

Nun ist das Jahr vorbei. Was bleibt?

Das Mentoring hat eine Beziehung geschaffen, die mir sehr wichtig geworden ist. Auch wenn das Jahr offiziell vorbei ist, bin ich mit dem Kind noch in Kontakt. Die Beziehung geht über das Projekt hinaus. Der Austausch mit anderen Mentorinnen und Mentoren hat mir gezeigt, wie unterschiedlich die Erfahrungen sein können und wie viel man voneinander lernen kann. Zudem habe ich für mich mitgenommen, dass man mit Geduld, Aufmerksamkeit und Präsenz sehr viel bewirken kann. Gleichzeitig habe ich meinen Umgang mit Kindern verbessert und viele soziale Kompetenzen entwickelt, die mir sicher auch in meiner Zukunft von grossem Nutzen sein werden.

Autor
(red)

Datum

22.12.2025