BERUFSBILDUNG
Im Team zum Lehrabschluss
Eine von zehn Lehren endet mit einem Abbruch. Für den Erfolg sind Vertrauen und eine gute Kommunikation wichtig, denn Berufsbildung ist seit jeher eine Teamleistung. BILDUNG SCHWEIZ hat eine Metallbaufirma besucht, um mehr darüber zu erfahren.

Bereits am frühen Montagmorgen springen in der Produktionshalle der Firma R&G Metallbau in Ellikon an der Thur die Funken. Der Lernende Joel Fauster steht an einem schweren Stahltisch und schweisst zwei Rohlinge zu einem Winkel zusammen. Konzentriert blickt er durch seinen Schweisshelm und führt das Schweissgerät möglichst ruhig über die Verbindungsstelle, um eine gleichmässige Naht hinzukriegen.
Etwas abseits steht der Berufsbildner von Joel – Yannic Edelmann – und schaut seinem Schützling zu. Seine Rolle als Lehrlingsbetreuer beim Unternehmen hat er erst seit letztem Sommer inne. «Mit der Praxisausbildung von Joel habe ich meist nicht direkt zu tun», erklärt Edelmann. «Dafür sind bei uns die Werkstatt- oder Projektleitenden zuständig. Meine Aufgabe ist die Betreuung des Lernenden in allen anderen Belangen. Ich behalte sein Wohlbefinden und seine schulischen Leistungen im Blick und kümmere mich um all das Administrative im Hintergrund, wie etwa das Organisieren seiner Kurse.»
Joel hat bereits ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) als Metallbauer in der Tasche. Daher fällt ihm das Schweissen des Holzverbinders auch nicht sonderlich schwer. «Joel hat soeben eine Zusatzlehre zum Metallbaukonstrukteur bei uns begonnen», erklärt Edelmann. «Um die Betriebsabläufe bei uns kennenzulernen, macht er darum in den ersten Wochen ein Werkstattpraktikum. Als Konstrukteur wird er nachher im Büro Pläne zeichnen für die Metallbauer. Da ist es wichtig zu wissen, welche Abläufe wir in der Werkstatt haben.»
Vertrauen ist zentral für erfolgreiche Teamarbeit
Die Beziehung zwischen Edelmann und Joel scheint zu stimmen: Wenn sie miteinander sprechen, wirkt es oft kollegial, sie scherzen, lachen. «Ein Lernender wie Joel ist fast schon ein Selbstläufer», sagt der Ausbildner auf die Frage nach ihrer Beziehung zueinander. «Da er bereits eine Lehre absolviert hat, weiss er, worauf es ankommt.»

Nicht alle Lernenden sind Selbstläufer, weiss Edelmanns Vorgänger Roland Gubler. 15 Jahre lang war er für die Lernendenausbildung bei R&G Metallbau zuständig. Dabei hatte er auch zwei problematische Lehrverhältnisse, die in Lehrabbrüchen endeten. Während im einen Fall eine Lernende infolge eines Unfalls die Büroarbeit aufgeben musste, stand beim anderen ein Vertrauensbruch im Zentrum. «Bei diesem Lernenden wurden sowohl die Leistungen in der Schule als auch im Betrieb immer schlechter. Er hatte auch mit einem Suchtverhalten zu kämpfen: Er war seinen PC-Spielen verfallen, spielte jeweils bis nachts um vier Uhr. Wenn seine Eltern dann am Morgen zur Arbeit gingen, ist er öfters mal nicht bei uns erschienen», so Gubler.
Mehrmals habe man mit dem Lehrling und seinen Eltern Gespräche geführt. Dabei habe er immer Versprechungen gemacht, aber nie eingehalten. Als er zu Beginn des vierten Lehrjahres einen überbetrieblichen Kurs nicht besucht hatte, wurde der Lehrvertrag aufgelöst.
«Für Lernende ist wichtig zu wissen, dass sie zum Lehrmeister gehen können.»
Wenig überraschend nennt Gubler das gegenseitige Vertrauen als einen zentralen Punkt für eine erfolgreiche Teamarbeit zwischen Berufsbildenden und Lernenden. Weiter brauche es Ehrlichkeit und eine klare Kommunikation: «Für Lernende ist wichtig zu wissen, dass sie zum Lehrmeister gehen können, ohne sich zu genieren oder gar Angst zu haben.»
Ehrliche Kommunikation als Schlüssel
Urs Solèr ist Leiter der Lernendenberatungsstelle Kabel im Kanton Zürich. Die Lernenden, die aufgrund von Problemen zu ihm kommen, hätten zwar immer wieder andere Umstände. Oft gehe es aber um eine ungenügende Kommunikation mit den Ausbildenden, auf die unklare Erwartungen oder Missverständnisse folgen. «Viele Lehrvertragsauflösungen, die aufgrund von Problemen im Betrieb geschehen, haben mit einer schwierigen Beziehung zum Ausbildner zu tun», so Solèr. «Wie es aber zur Auflösung des Lehrvertrags kommt, hat ganz unterschiedliche Gründe. Es kann sein, dass sich Lernende und Berufsbildende von Anfang an nicht gut verstehen. Oder die Beziehung hat durch andere Schwierigkeiten gelitten.»

Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik von insgesamt rund 197'000 bestehenden EFZ-Lehrverträgen 21'781 aufgelöst. In 1199 Fällen hängte die Vertragsauflösung mit dem Lehrbetrieb zusammen. In 1594 Fällen war ein Konflikt zwischen den Vertragsparteien die Ursache und in 18'986 Fällen standen «Auflösungsgründe in Bezug auf die lernende Person» im Vordergrund. Genauer aufgeschlüsselt werden diese nicht.
In zwei Fällen sind die Gründe unbekannt. Die zwei Fälle von Lehrabbrüchen, die Gubler beschreibt, gehören sicher zu dieser grössten Kategorie: Einerseits ein Fall, in dem die Lernende kein Verschulden am Abbruch ihrer Lehre hatte, weil sie einen Unfall hatte. Andererseits ein Fall, in dem der Lernende zumindest eine Mitschuld trug, weil er ein Gaming-Problem hatte. Damit eine gute Kommunikation eine Vertrauensbasis schaffen kann, in der Lernende den Mut finden, sich zu öffnen und ihre Probleme anzusprechen, braucht es Bemühungen von beiden Seiten. «Doch gerade, wenn Lernende ein wenig verschlossen und ruhig sind, kann man sie noch so oft dazu einladen, bei Problemen zu einem zu kommen. Einige öffnen sich nie wirklich oder erst, wenn es zu spät ist», so Gubler.
Lernende sagen oft aus Angst vor Konsequenzen nicht die Wahrheit.
Anna Bolliger von Plan B, einem Beratungsangebot der Wirtschaft- und Kaderschule KV Bildung Bern, hört in ihren Beratungen regelmässig, dass Lernende aus Angst vor Konsequenzen oft nicht die Wahrheit sagen. «Sie verschweigen dann Noten, weil diese nicht den Erwartungen – den eigenen oder denen des Ausbildungsbetriebs – entsprechen. Oder sie trauen sich nicht, bei Unklarheiten nochmals nachzufragen», berichtet Bolliger. Damit das Vertrauensverhältnis zwischen einem Ausbildenden und seinen Lernenden stimmt, ist für die Beraterin eine gute und ehrliche Kommunikation «auf beiden Seiten ein Schlüsselaspekt».
KMU bieten Vorteile für die Teamarbeit
Hier scheint sich der Kreis zu schliessen: Damit eine erfolgreiche Teamarbeit zwischen Lernenden und ihren Ausbildenden gelingen kann, braucht es gegenseitiges Vertrauen. Dieses wiederum wird durch eine klare und ehrliche Kommunikation auf beiden Seiten aufgebaut und dafür «muss man sich – trotz Druck und Stress im Tagesgeschäft – die Zeit reservieren», wie Gubler sagt.
Ein Vorteil in KMU ist, dass durch die kurzen Wege auch verschiedene Mitarbeitende bei der Ausbildung mithelfen können.
Die Ausbildung von Lernenden wird in der Schweiz grösstenteils von kleineren und mittleren Betrieben (KMU) bewerkstelligt. Deren Berufsbildnerinnen und -bildner führen ihre Schützlinge meist parallel zu ihren sonstigen Arbeiten in einen Beruf ein. Ein Vorteil in KMU ist, dass durch die kurzen Wege auch verschiedene Mitarbeitende bei der Ausbildung mithelfen können. Damit kann das Team aus Lehrmeister und Lernenden bei Bedarf erweitert werden. Dies sieht auch der angehende Metallbaukonstrukteur Joel Fauster als Vorteil: «Wenn ich zum Beispiel ein Computerprogramm noch nicht verstehe, kann ich zu derjenigen Person gehen, die es am besten beherrscht.»
Aus diesem Grund würde normalerweise auch nicht Yannic Edelmann den von Joel Fauster gefertigten Holzverbinder auf seine Tauglichkeit überprüfen, sondern ein Mitarbeiter der Werkstatt. Doch diesmal zückt Edelmann selbst den Massstab und kontrolliert, ob alle Löcher den korrekten Durchmesser aufweisen. «Sieht gut aus», meint der Ausbildner zu seinem Lernenden und beide lächeln. «Gut geschweisst, minimal verzogen. Jetzt kannst du es scharfkantig verschleifen.»
Beratungsstelle für Lernende
Die Lernendenberatungsstelle Kabel moderiert Gespräche zwischen den Lernenden, Betrieben und weiteren Involvierten. Sie sucht bei Konflikten, Missverständnissen oder Fragen während der Berufslehre gemeinsam nach Lösungen. Mehr Informationen: kabel-berufslehre.ch
Autor
Marcel Hegetschweiler
Datum
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