Einsatz als Freiwillige

«Ich habe ein grösseres Verständnis für Individualität»

Die angehende Kindergartenlehrerin Marjolien van Teeffelen begleitet Menschen mit Behinderung in ihre Ferien. Das bereichere auch ihre Ausbildung, sagt sie.

Marjolien van Teeffelen. Foto: ZVG

Wie sind Sie dazu gekommen, Menschen mit Behinderung in deren Ferien zu betreuen?

MARJOLIEN VAN TEEFFELEN: Ich habe als Reiseleiterin auf einer Schlager-Kreuzfahrt gearbeitet. Auf dieser Kreuzfahrt befand sich eine Gruppe von Procap. Da ich auch für die Organisation zuständig war, kam ich mit der Gruppe in Kontakt. Durch diese Begegnung habe ich von Procap erfahren, und das Konzept hat mich begeistert. Die Möglichkeit, unterwegs zu sein und gleichzeitig Menschen schöne Ferien zu ermöglichen, erschien mir als perfekte Kombination. Deshalb habe ich mich ein Jahr später als Ferienbegleiterin für Wanderferien in Arosa angemeldet. Eine tolle Woche, an die ich mich gerne zurückerinnere.

Was bedeuten diese Einsätze für Sie?

Es erfüllt mich, diesen Menschen eine schöne Zeit zu ermöglichen. Es war manchmal herausfordernd, aber der Aufwand hat sich immer gelohnt. Die Menschen sind unglaublich dankbar, und es macht einfach Spass. Nach meinem ersten Einsatz als Ferienbegleiterin war ich anschliessend als Reiseleiterin im Ausland in Italien und Spanien unterwegs. Als Reiseleiterin trage ich zwar die Verantwortung, habe aber gleichzeitig mehr Möglichkeiten. Ich konnte Träume erfüllen, beispielsweise jemandem, der im Rollstuhl sitzt, eine Parasailing-Tour ermöglichen.

«Die Erfahrungen vom Reiseleiten helfen mir im Schulalltag.»

Oder mit den Gästen in den Ausgang gehen und einen ausgelassenen Abend mit Karaoke oder Tanzen geniessen. Für uns sind das Kleinigkeiten, doch für unsere Gäste von Procap sind es Jahreshighlights. Diese Momente sind unbezahlbar und jeden Einsatz wert.

Wie schaffen Sie es, die Ferienbegleitung und den Lehrberuf unter einen Hut zu bringen?

Während des Studiums konnte ich in den Sommerferien Reisen für Procap begleiten. Im Lehrberuf kann ich mir gut vorstellen, weiterzumachen. Denn als Begleitperson habe ich keinen Vor- oder Nachbereitungsaufwand, das übernimmt die Reiseleitung. Früher, in meinem Bürojob, brauchte ich dafür unbezahlte Ferien. Als Lehrperson kann ich bestimmt eine bis zwei von meinen 13 Ferienwochen für Reisen mit tollen Menschen einsetzen.

Inwiefern nützt Ihre pädagogische Ausbildung bei der Begleitung?

Ich habe bereits vor meinem Studium mit den Reiseleitungen begonnen und diese im ersten Studienjahr weitergeführt. Ich würde sagen, dass sich die Begleitung oder Reiseleitung und der Beruf als Lehrperson gegenseitig bereichern. Die Arbeit mit beeinträchtigten Menschen erfordert Geduld und Mitgefühl. Zwei Eigenschaften, die meines Erachtens auch im Lehrberuf essenziell sind. Besonders als Reiseleiterin muss man gut organisieren und Verantwortung für die Gruppe übernehmen können. Als Klassenlehrperson trage ich eine ähnliche Verantwortung und brauche ebenso organisatorische Kompetenzen.

Sind die Anforderungen an Ihre Rolle als Begleiterin und als Lehrerin vergleichbar?

In der Rolle als Begleiterin ist die Verantwortung etwas geringer. Dennoch muss ich für meine zugeteilten Gäste sorgen. Ich darf beispielsweise nicht vergessen, Medikamente zu geben oder das Budget einzuteilen. Gegebenenfalls muss ich kreative Lösungen finden, wenn Gäste nicht an einem Ausflug teilnehmen möchten. Deshalb sehe ich viele Parallelen zwischen dem Lehrberuf und der Tätigkeit als Reiseleiterin oder -begleiterin für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Erfahrungen, die ich bei Procap gesammelt habe, helfen mir zudem auch im Schulalltag. Zum Beispiel habe ich weniger Berührungsängste, wenn ich ein Kind mit Trisomie 21 oder Autismus in meiner Klasse habe. Ich würde sogar behaupten, dass ich durch meine Erfahrungen mit Procap ein grösseres Verständnis für Individualität entwickelt habe. Deshalb kann ich eine Reise mit Procap jedem empfehlen. 

Marjolien van Teeffelen befindet sich im 6. Semester des Studiengangs Kindergarten/Unterstufe an der Pädagogischen Hochschule Luzern. Nebenbei übernimmt sie Stellvertretungen als Lehrerin. Für die Abteilung Reisen & Sport der Hilfsorganisation Procap begleitet sie Menschen mit Behinderung in den Urlaub.

Autor
(red)

Datum

22.09.2025

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