Fremdsprachenunterricht

Ein Land, viele Sprachen

Die Schweizer Mehrsprachigkeit ist eine Herausforderung für die hiesigen Schulen. Ein Sprachwissenschaftler hinterfragt den gängigen Fremdsprachenunterricht und rät zu einem strafferen Lehrplan.

Jugendliche sitzen plaudernd in einem Strassen-Cafe.
Der Austausch mit Gleichaltrigen ermöglicht Jugendlichen ist hilfreich beim Erlernen einer Fremdsprache. Foto: iStock/dusanpetkovic

Die Mehrsprachigkeit ist ein zentrales Identitätsmerkmal der Schweiz und bildet die Grundlage für den nationalen Zusammenhalt. Doch wie steht es tatsächlich um die Fremdsprachen an unseren Schulen? Das Buch «Das Kreuz mit dem Schweizer Fremdsprachenunterricht» von Daniel Elmiger liefert eine fundierte Bestandsaufnahme, die für die laufende bildungspolitische Diskussion von grosser Relevanz ist. Elmiger beleuchtet die Diskrepanz zwischen den hehren Zielen und der oft unbefriedigenden Realität des Sprachenlernens in der Schweiz. Das Buch hinterfragt die Effektivität des Systems und regt eine Diskussion über Ziele und Lösungen an.

Bedeutungsverlust der Landessprachen

Elmiger ist Sprachwissenschaftler und Didaktiker an der Universität Genf. Er führte eine umfassende Analyse des Schweizer Fremdsprachenunterrichts durch. Seine zentrale These ist unmissverständlich: «In der Schweiz steht es mit den Landessprachen nicht zum Besten.» Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch verlören ausserhalb ihrer jeweiligen Sprachgebiete zunehmend an Bedeutung. Das traditionelle Schweizer Modell nach dem Prinzip «chacun à sa langue» weicht zunehmend Englisch als Lingua franca. Der Autor belegt dies mit Statistiken zu Sprachgebrauch und Motivation. Es komme so zu einer Diskrepanz zwischen dem idealisierten Bild der viersprachigen Schweiz und der gelebten Realität.

Elmiger plädiert dafür, Sprachen authentisch erlebbar zu machen.

Elmiger wirft einen strengen Blick auf die Schule. Er kritisiert vor allem, dass der überladene Lehrplan den notwendigen Tiefgang verhindere und dass es an ausreichend qualifizierten Lehrpersonen mangle. Zudem vermisst er eine verlässliche Erfolgskontrolle durch externe Sprachzertifikate.

Das Buch ist eine wertvolle Reflexionsgrundlage für Lehrpersonen. Es hilft, unbefriedigende Ergebnisse als systemische Probleme zu verstehen und liefert Argumente für bildungspolitische Diskussionen. Elmiger schlägt vor, die Schweizer Schulpolitik zu überdenken, klarere Ziele zu definieren und neue Ideen zur Gestaltung des frühen Sprachenunterrichts zu prüfen. 

Der Autor betont, wie vielversprechend zweisprachiger Unterricht und Austauschprogramme sind. Die Auseinandersetzung mit didaktischen Methoden und neuen Technologien, insbesondere mit künstlicher Intelligenz, sei ebenfalls relevant. Elmiger plädiert dafür, Sprachen authentisch erlebbar zu machen. Dies kann in Form von Tandems bis Projektwochen geschehen, was aber entsprechende Ressourcen voraussetzt.

Zukunft der Schweizer Mehrsprachigkeit

Elmiger fordert, kommunikative Fähigkeiten zum obersten Ziel zu erklären, Lehrpläne zu straffen, kleinere Lerngruppen zu führen und externe Kompetenztests einzuführen. Zweisprachiger Unterricht und Austauschprogramme sollen gezielt in Landessprachen gefördert werden, um die Motivation zu heben und reale Sprachkontakte zu schaffen. Frühfremdsprachen sieht Elmiger nicht prinzipiell kritisch – die Rahmenbedingungen und Qualität dafür müssten jedoch stimmen. Für Lehrpersonen bietet Elmigers Buch eine wertvolle, wenn auch bisweilen unbequeme Perspektive. Es liefert keine einfachen Antworten, aber dafür eine reiche Datengrundlage und Denkanstösse für eine wichtige gesellschaftliche und politische Debatte über die Zukunft der Mehrsprachigkeit in der Schweiz. 

Das Buch als PDF

Daniel Elmigers «Das Kreuz mit dem Schweizer Fremdsprachenunterricht» ist als PDF auf seismoverlag.ch kostenlos erhältlich. 

Autor
Beat A. Schwendimann, pädagogischer Leiter des LCH

Datum

03.10.2025

Themen