Die Jugend gilt als eine Zeit der Unbeschwertheit. Sie kommt jedoch mit vielen Herausforderungen daher. Das wirkt sich auch auf die mentale Gesundheit aus. Weltweit erlebt heute jede und jeder Siebte zwischen 10 und 19 psychische Probleme. Am häufigsten handelt es sich dabei um Depressionen sowie um Angst- und Verhaltensstörungen. Dies geht aus Zahlen der Weltgesundheitsorganisation hervor. Angesichts mehrerer globaler Krisen überrascht das nicht, aber es stimmt nachdenklich.
«Die Belastung der Jugendlichen ist real.»
In der Schweiz gibt es gemäss Medienberichten ähnliche Tendenzen. Die Rede ist von einer Krise der Jugend. Die Jugendstudie 2024 der Stiftung Pro Juventute hingegen besagt, dass sich Schweizer Jugendliche zwischen 14 und 25 mehrheitlich wohlfühlten – 88 Prozent, um genau zu sein. Schönfärben sei allerdings nicht angebracht, betont Mediensprecher Olivier Reber von Pro Juventute. Ein Drittel der Befragten habe bereits psychologische Hilfe oder psychosoziale Beratung in Anspruch genommen. «Die Belastung ist real.» Im Umkehrschluss zeige das Studienergebnis nämlich auch, dass sich zwölf Prozent der befragten Jugendlichen psychisch unwohl fühlten. «Viele junge Menschen brauchen Hilfe.»
Neben persönlichen Themen beschäftigt ältere Jugendliche besonders das Weltgeschehen. Politische Krisen, Kriege, soziale Ungerechtigkeit und der Klimawandel bereiten ihnen Sorgen. Reber betont, wie wichtig darum Medienkompetenz und ehrliche Gespräche, die das Geschehen einordnen, im Alltag seien. Eltern und Lehrpersonen sollten offen und altersgerecht über Krisen sprechen. «Das Schlimmste wäre, die Jugendlichen mit den schlechten Nachrichten und ihren Sorgen alleine zu lassen.»
Mehr Druck auf Frauen
Die zufriedenen 88 Prozent lenken als Zahl von einem weiteren Problem ab: Es tut sich ein Graben auf zwischen dem Wohlbefinden junger Frauen und jenem junger Männer. Nur knapp 18 Prozent der weiblichen Befragten beschreiben ihre psychische Gesundheit als sehr gut bis ausgezeichnet. Bei den männlichen Befragten sind es fast 64 Prozent. «Der gesellschaftliche Druck auf junge Frauen ist besonders gross», kommentiert Reber. Als Beispiel nennt er die unrealistischen Körperideale, die in der Öffentlichkeit verbreitet sind. «Ihnen muss man vermitteln, dass es kein absolutes Körperideal gibt, und versichern, dass sie gut sind, so wie sie sind.» Immerhin: Verglichen mit jungen Männern suchen junge Frauen bei Problemen laut Reber eher das Gespräch und holen sich Hilfe.
«Das Alter zwischen 15 und 20 ist eine herausfordernde Phase – schulisch wie privat.»
Eine Studie mit Jugendlichen in der Berufslehre zeichnet ein ähnliches Bild. Workmed, ein Zentrum für Arbeit und psychische Gesundheit, hat dafür rund 45 000 Jugendliche befragt. In den erhobenen Daten fällt auf, dass Frauen doppelt so häufig psychische Gründe für die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrags angeben wie Männer. Laut Bundesamt für Statistik haben 2023 mehr Frauen die Lehre abgebrochen als in den Vorjahren. Für die Co-Autorin der Workmed-Studie, Barbara Schmocker, ist es noch zu früh für eine Einordnung der Gründe. «Ich glaube, dass Frauen eher an sich zweifeln. Sie sprechen aber auch eher darüber, wenn es ihnen nicht gut geht.»
Bei Männern – gerade in diesem Alter – sei das anders. Für eine fundierte Erklärung müsse man aber noch tiefer graben und länger beobachten. Die Belastung, welche die Jugendlichen empfinden, beschränkt sich nicht nur auf die Berufslehre. Schmocker kennt ähnliche Resultate aus Österreich und Deutschland, die auch Lernende in weiterführenden Schulen berücksichtigen. Das überrascht die Psychologin nicht. «Das Alter zwischen 15 und 20 ist eine herausfordernde Phase – schulisch wie privat.»
Abschluss und Neubeginn begünstigen Krisen
Die Phase der Adoleszenz kommt mit neuen Freiheiten, aber auch mehr Verantwortung. Die jungen Erwachsenen erleben so in kurzer Zeit viele Veränderungen. Dazu gehören der Abschluss der obligatorischen Schulzeit und der Neubeginn in der Lehre oder an einer weiterführenden Schule. Das kann Krisen begünstigen. Sie gehören also auch ein wenig zu diesem Lebensabschnitt. «Der Übergang und wie die Jugendlichen damit zurechtkommen sind zentral für ihr Wohlbefinden.»