Den Alltag im Rollstuhl kann man sich schlecht vorstellen, wenn man gehen kann. Neu gibt es im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern einen Rollstuhl-Parcours, der diese Erfahrung ermöglicht. Der Parcours ist Teil der Ausstellung «MovAbility – barrierefrei unterwegs», der in Zusammenarbeit mit der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, der Stiftung Zerebral und Infra Suisse eingerichtet wurde.
Ausstellung
Das Verkehrshaus bietet neu einen Rollstuhl-Parcours an
Für Menschen, die gehen können, ist der Alltag im Rollstuhl schwer nachvollziehbar. Das Verkehrshaus der Schweiz bietet einen Parcours an, der solche Erfahrungen ermöglicht. Eine Erkenntnis daraus: Noch heute ist das Benützen des öffentlichen Verkehrs nicht überall ohne Hilfe möglich.

Für Kinder und Erwachsene stehen 14 Rollstühle unterschiedlicher Grössen zur Verfügung. Sie können diese auf verschiedenen Belägen ausprobieren.
Die Rampe ins Mini-Postauto lässt sich nicht allein bewältigen.
Was es bedeutet, über Rampen in diverse Typen von Verkehrsmitteln zu gelangen, lässt sich ebenfalls realitätsnah erproben. Die Test-Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer stellen dabei fest, dass sie problemlos in die Kabine der Standseilbahn Schwyz-Stoos gelangen können, nicht jedoch in ein Mini-Postauto. Dessen Rampe sieht zwar nicht steil aus, ist aber ohne Hilfe nicht zu bewältigen. Früher war es noch komplizierter. Davon erfahren die Besucherinnen und Besucher auf Schautafeln. Bahnreisende im Rollstuhl wurden beispielsweise mittels Gabelstapler in die Gepäckwägen der Züge gehievt. Inzwischen gibt es an Schweizer Bahnhöfen immerhin 650 handbetriebene Rollstuhllifte.
Lernende installierten Bodenbeläge
Umgesetzt wurde der Parcours mit tatkräftiger Unterstützung von 18 angehenden Strassenbauerinnen und -bauern: Im Rahmen der Selektionswettkämpfe für die diesjährigen Berufsmeisterschaften Swissskills traten Teams aus der italienischen und der Deutschschweiz gegeneinander an und realisierten die unterschiedlichen Bodenbeläge, die man nun mit dem Rollstuhl befahren kann. Darunter gibt es Kies, Asphalt, Beton, Pflaster- und Sickersteine, Holzbohlen, Gummiplatten und weitere. Die aufwendigen Installationsarbeiten sind laut Verkehrshausmitarbeiter Heini Baumgartner auch mit ein Grund dafür, dass der Parcours sicher noch bis ins Jahr 2026 hinein oder sogar bis 2027 verfügbar sein wird.
ÖV: Ziel nicht erreicht
Der Direktor der Paraplegiker-Stiftung, Joseph Hofstetter, sagte in einer Mitteilung des Verkehrshauses bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung: «Leider ist Barrierefreiheit auch im Jahr 2025 noch keine Selbstverständlichkeit. Wir hoffen, dass dieser Parcours dazu beiträgt, die Öffentlichkeit für unsere Vision einer Welt zu sensibilisieren, in der Menschen mit Querschnittlähmung überall selbstbestimmt unterwegs sein können.»
Gemäss dem seit 2004 geltenden Behindertengleichstellungsgesetz sollte zumindest der öffentliche Verkehr (ÖV) per Ende 2023 barrierefrei sein. Doch selbst dieses Ziel wurde bis jetzt nicht überall erreicht. Bei 500 der insgesamt 1800 Bahnhöfen und Bahn-Haltestellen wurde die Frist gemäss Unterlagen zur gegenwärtigen Überarbeitung des Gesetzes nicht eingehalten.
Als Ergänzung lohnend
Ein Besuch der im Mai eröffneten Spezialausstellung ist vor allem dann sinnvoll, wenn Lehrpersonen sowieso vorhaben, das Verkehrshaus zu besuchen. Nur wegen des Rollstuhl-Parcours nach Luzern zu reisen, lohnt sich kaum, da die Begehung nicht allzu viel Zeit erfordert. Ausserdem können nur etwa sechs bis acht Schülerinnen und Schüler gleichzeitig auf dem Parcours unterwegs sein. Es empfiehlt sich die Einteilung in Kleingruppen, die dann nacheinander diesen Teil des Verkehrshauses aufsuchen.
Infos zur Ausstellung
Der Rollstuhl-Parcours im Verkehrshaus ist täglich zwischen 10.15 und 12 Uhr, 13 bis 14.30 Uhr sowie 15.30 und 16.30 Uhr geöffnet. Bei Regenwetter bleibt er geschlossen. Zu beachten ist, dass Kinder mindestens 1,20 Meter gross sein müssen und dass es nur vier Rollstühle gibt für Kinder unter einer Körpergrösse von 1,50 Meter. Reservierungen für Schulklassen sind nicht möglich. Lehrpersonen, welche die Themen Rollstuhlmobilität, Barrierefreiheit oder Querschnittslähmung behandeln wollen, finden bei der Paraplegiker-Stiftung viele weiterführende Infos und hilfreiche didaktische Unterlagen. Diese eignen sich für Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse. Auch Besuche des Paraplegikerzentrums in Nottwil (LU) sind möglich.
Mehr Informationen zum Parcours gibt es hier auf der Website des Verkehrshauses.
Mehr Informationen zum Paraplegikerzentrum in Nottwil gibt es hier auf der Website des Zentrums.
Autor
Susanne Schild
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