BERUFSBILDUNG

«Berufe sind heute spezialisierter und vielfältiger»

Der Einstieg in die Berufswelt war schon immer ein herausfordernder Schritt. Patricia Biner ist Co-Präsidentin von Berufsbildung Schweiz, dem Dachverband für Lehrpersonen in der Berufsbildung, und erklärt, wie sich die Arbeit gewandelt hat.

Hände messen die Länge einer Holzplanke.
Zu Beginn ihres Berufsleben werden Jugendliche von Lehrpersonen in der Berufsbildung unterstützt.

BILDUNG SCHWEIZ: Viele Berufe verändern sich stark oder verschwinden ganz. Was bedeutet das für die berufliche Ausbildung?

PATRICIA BINER: Die berufliche Ausbildung ist durch die enge Verflechtung mit dem Arbeitsmarkt seit jeher an dessen marktwirtschaftliche Veränderungen gebunden. Entsprechend werden die bestehenden Berufsbildungsverordnungen auch regelmässig durch die Organisationen der Arbeitswelt überarbeitet. Die letzten einschneidenden Reformen betrafen Platz eins und drei der beliebtesten Berufsausbildungen: das KV und den Detailhandel. Einschneidend waren sie aufgrund des Übertritts zur Handlungskompetenzorientierung in den Bildungsplänen. Das bedeutet, dass in der Berufsfachschule der klassische Fächerunterricht aufgegeben wurde und die Lernenden neu in Handlungskompetenzfeldern unterrichtet werden. Die Berufsfachschulen und Lehrpersonen waren und sind hier noch immer vor grosse organisatorische, inhaltliche und didaktische Herausforderungen gestellt. Auch Evaluation und Begleitung der Lernenden an den beiden anderen Lernorten – im Betrieb und in den überbetrieblichen Kursen – erfahren Neuerungen.

Vor 150 Jahren wurde Berufsbildung Schweiz (BCH-FPS) als Verein zur Förderung des Zeichenunterrichts gegründet. Wo besteht da der Zusammenhang?

Dies scheint in der Tat ein wenig kurios. Man muss sich aber vor Augen führen, dass dieser Zeichenunterricht sehr technisch ausgerichtet war und darf dabei nicht an eine Art freies Kunstzeichnen denken. Dem Zeichenunterricht wurde damals ein zentraler Stellenwert zugeschrieben, da Fähigkeiten geschult wurden, welche im Handwerk und in der Industrie von zentraler Bedeutung waren. Damit meine ich etwa räumliches Vorstellungsvermögen, Verständnis für Masse, planerische Fähigkeiten, aufmerksames Beobachten und Sorgfalt. Davon waren die Mädchen übrigens nicht ausgenommen, auch wenn die Schulung in Handarbeit für sie einen vergleichbaren Stellenwert einnahm. Mit den Verschiebungen zwischen den Wirtschaftssektoren hin zum Dienstleistungssektor hat der Zeichenunterricht mit der Zeit allerdings an Bedeutung verloren.

Muss BCH-FPS heute stärker um das Ansehen der Berufslehre kämpfen als früher?

Vorab gilt zu sagen, dass wir als Dachverband der Berufsfachschullehrpersonen nicht für die Berufspromotion zuständig sind. Das liegt in den Händen der Branchen- und Berufsverbände, in denen eine berufliche Bildung absolviert werden kann. Aber die Berufspromotion ist sicherlich anspruchsvoller geworden. Die Berufe sind heute spezialisierter und vielfältiger – es gibt rund 240 berufliche Grundbildungen in der Schweiz. Sich da einen Überblick zu verschaffen, ist per se eine Herausforderung. Entscheidender ist aber, dass nicht alle wissen, wie durchlässig das duale Bildungssystem ist und wie viele Anschlussmöglichkeiten sich bieten. Weiter hat die Einstellung der Eltern gegenüber der Berufslehre einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Gesellschaftliche Haltungen und Überzeugungen ändern sich nur zäh.

Autor
(red)

Datum

28.11.2024

Publikation
BILDUNG SCHWEIZ