Pro und Kontra

Wie sinnvoll sind Noten?

Pascal Christen und Philipp Rüdin sind beide Oberstufenlehrer. Der eine vergibt im Unterricht Noten, der andere verzichtet weitgehend darauf. Für BILDUNG SCHWEIZ haben sie ihre Argumente in einem Pro- und in einem Kontrabeitrag auf den Punkt gebracht.

Früher waren Tests mit Noten der Normalfall. Heute wird die Leistung in unterschiedlichen Formen bewertet. Im Zeugnis haben Noten hingegen weiterhin ihren festen Platz. Foto: ca

Was für Noten spricht – von Pascal Christen

Noten sind legitim, gesellschaftlich verankert und ein bewährtes System, um Leistungen zu bewerten. Sie machen diese national und in verständlicher Form vergleichbar. Viele Lernende fokussieren sich zwar auf gute Noten statt auf das Lernen. Als Lehrer bin ich mir auch bewusst, dass Noten oft subjektiv sind und unterschiedlich vergeben werden. Zudem machen Noten nicht auf jeder Stufe gleichermassen Sinn.

Dennoch gibt es Gründe, die für sie sprechen: Im Abschlusszeugnis zeichnen sie aus verschiedenen Perspektiven und in komprimierter Form ein diagnostisches Bild des Lernenden, seiner Leistungen und Fähigkeiten. Noten machen sie sowohl für Lernende als auch für die Eltern transparent, mess- und einschätzbar.

Noten zeichnen in komprimierter Form ein diagnostisches Bild des Lernenden.

Noten zeigen Lernenden, wo sie – auch im Vergleich zu anderen – stehen und in welchen Bereichen sie sich verbessern müssen. Sie sind ein bewährtes Mittel der schulischen Einstufung, sei es für die Schule, für weiterführende Institutionen oder für Lehrbetriebe. Letztere können auf Noten zurückgreifen, wenn sie sich ein Urteil über schulische Leistungen bilden müssen.

Leider verursachen Noten manchmal Stress und sogar Angst. Doch Lernende müssen lernen, mit Misserfolgen umzugehen. Noten können nämlich auch motivieren. Ich arbeite schon lange als Lehrer auf der Oberstufe. Dort können Noten ein Instrument sein, um Lernende auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten.

Mehr zur Notendebatte: «Noten oder die Geschichte eines Missverständnisses», bildungschweiz.ch, 16.4.24

Was gegen Noten spricht – von Philipp Rüdin

Lernen braucht ein regelmässiges, aussagekräftiges Feedback, keine Noten. Echtes Lernen findet dann statt, wenn Schülerinnen und Schüler staunen, Fragen stellen und neugierig einer solchen nachgehen. Noten korrumpieren diesen Lernprozess. Schülerinnen und Schüler lernen nachhaltig, wenn sie es wollen, nicht weil sie müssen. Sie wollen etwas entdecken, sich weiterentwickeln. Eine geschickte Lehrperson fördert diesen Lernprozess und begleitet ihn aufmerksam, sodass Fähigkeiten und Fertigkeit gedeihen. Dies stärkt das Selbstvertrauen.

Lernen braucht ein regelmässiges, aussagekräftiges Feedback, keine Noten.

Seit 30 Jahren unterrichte ich als Sekundarschullehrer Fächer wie Deutsch, Mathe, NMG, TTG oder Sport. In all diesen Fächern sind Lernstandserfassungen wichtig – während des Lernprozesses! Das aufbauende, konstruktive Feedback ist der Schlüssel für erfolgreiches Lernen. Wir kennen dies bestens aus der Freizeit. Trainer oder Skilehrerinnen und so weiter orientieren sich an geförderten und beobachteten Kompetenzen, nicht an Noten.

Während einer Lernphase vertiefen sich die Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger intensiv in ein Thema und benötigen je nach Fähig- und Fertigkeiten mehr oder weniger Unterstützung. Jede aufmerksame Lehrperson kann danach professionell und fundiert Auskunft über den Lernstand und Talente der betreffenden Schülerin oder des Schülers geben – Ziffernnoten genügen diesem Anspruch nicht.

Autor
Pascal Christen, Philipp Rüdin

Datum

16.04.2024

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